Wie kam die Sinziger
Römervilla zu fünf Estrichböden?

Grabungstechniker Rudolf Eggers sprach beim Denkmalverein
über die Ausgrabungen in der Zehnhofstraße

Sinzig. Einblick vom Insider in den Alltag eines Grabungstechnikers erlebten die mehr als 50 Zuhörerinnen und Zuhörer beim „Turmgespräch im Schloss“ des Vereins für Förderung der Denkmalpflege und des Heimatmuseums in Sinzig im dicht besetzten Sitzungssaal des Schlosses. Die Informationen kamen von Rudolf Eggers, Grabungstechniker der Landesarchäologie Koblenz, und betrafen ein ur-Sinziger Thema: Die Ausgrabung aus dem vergangenen Sommer in der Zehnthofstraße.

Im Zuge von Straßenbauarbeiten waren Reste einer römischen Heizungsanlage freigelegt worden. Wie sich im Laufe der mehrwöchiger Arbeiten an der Baustelle zeigte und was auch schon zu vermuten war, handelte es sich um die nordwestliche Ecke einer römischen Villa (Villa Rustica). Rudolf Eggers schilderte zunächst die alltäglichen Mühen seines Arbeitsfeldes. Nur wo der Straßenbau in das Erdreich eingriff, konnte Eggers nachgraben, in ständigem und gutem Einvernehmen mit dem Bauleiter. Auch die Stadt Sinzig hatte vorbildlich gehandelt, wie Eggers betonte, und schon sehr früh auf die Funde hingewiesen. Oft geht der Weg der Bodendenkmäler eine gegenteilige Richtung… Ein großes Problem stellten „Störelemente“ dar in Form von mehreren hochsensiblen Leitungen, darunter auch Kabel zur Stromversorgung und für den Fernsehempfang und dicke Wasserrohre. Sie liefen längs und quer durch die Grabungsfläche, was den Zugang zu den entscheidenden Stellen sehr erschwerte. Das ließ sich auf den präsentierten Bildern gut nachvollziehen.

Die römische Villa zieht sich über das Gelände hin, auf dem heute das Pfarrhaus und der Pfarrgarten steht, der Bereich unter der Straße „Am Zehnthof“ ist der einzige, auf dem ein Zugriff möglich ist. Und der brachte Erstaunliches an den Tag, was auch für einen erfahrenen Grabungsleiter etwas ganz Neues bedeutet: Es gab in dieser Villa fünf Estrichschichten. Viermal wurde also seinerzeit der Hohlraum verfüllt, um dann einen neuen Estrich und darauf eine Heizungsanlage zu bauen. Warum? Zu dieser Frage suchte auch das Publikum Antworten. War es zu große Feuchtigkeit oder allmähliches Zusetzen mit Erde und Dreck („Versiffung“)? Offenbar liegt keine kriegerische Zerstörung zu Grunde, jedenfalls wertet Eggers den Fund als zu systematisch für eine solche Annahme. Eggers geht von mehreren gewollten Umbauphasen aus, was auf eine Nutzungszeit der Villa von rund 120 Jahren hindeutet. Angenommen wird ein Nutzungszeitraum der Villa um das Jahr 275, also in der spätrömischen Zeit. Nur Spekulationen bleiben in der Frage nach dem Erbauer und Besitzer. Aus Funden von Terra Sigilata, schließt Eggers auf den Inhaber einer privaten Manufaktur dieser Gebrauchskeramik – allerdings sei auch das sehr vage.

Vorsitzender Dr. Günther Schell trug mit Erkenntnissen aus seiner seinerzeitigen Doktorarbeit bei, als er nach römischen Villen im heutigen Wetteraukreis forschte. Ab dem Jahr 254, als sich der im Jahr 83 erbaute Limes-Grenzwall nicht mehr halten ließ, gaben viele Römer ihre Besitzungen im rechtsrheinischen Gebiet auf und siedelten sich im linksrheinischen neu an. Auch in Sinzig?

Längst nicht alles war zu klären an diesem Abend, die Zuhörerschaft dankte es Rudolf Eggers aber für den facettenreichen Vortrag, einen Dank, den Dr. Schell am Schluss unter großem Beifall noch einmal zum Ausdruck brachte.

Foto und Text: Matthias Röcke

© Heimatmuseum Schloss Sinzig – 2012

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