Sinzig. Wie haben sie das nur geschafft, die protestantischen Kaufmannsfamilien aus dem Kölner Raum, ein Vermögen nicht nur zu erwirtschaften, sondern auch über Generationen in der Familie zu halten und dabei beständig an gesellschaftlichem Einfluss zu gewinnen? Und warum haben diese Familien eine so enge Beziehung zum Raum Sinzig? Diesen Fragen ging im Rahmen der „Turmgespräche im Schloss“ des Vereins zur Förderung der Denkmalpflege und des Heimatmuseums in Sinzig dessen stellvertretender Vorsitzender Karl-Friedrich Amendt nach. Ein Fingerzeig ist schon der – gegenüber der Ankündigung spontan aktualisierte – Titel seines Vortrags: Der Kölsche Klüngel und die Villen am Rhein.
Es ging beispielsweise um die Familien Bunge, Andreae, Rhodius und Koenigs und das Sinziger Schloss. Gustav Bunge lässt es 1858 errichten, Andreae und Rhodius sind die Familien von Bunges Schwiegereltern, die zur selben Zeit das ehemalige Minoritenkloster Helenaberg in Sinzig erwerben. Eine Rolle spielt auch Peter Broicher, er kauft 1808 den Sinziger Zehnthof und lässt ihn zu seinem Familiensitz ausbauen. Drei bedeutende Sinziger Bauwerke gehören im 19. Jahrhundert protestantischen Familien, in Rolansdwerth (Jacob vom Rath), Mehlem (August Camphausen, Schnitzler, Bankier Stein, Dr. Franz Julius Andreae, Deichmann), in Rüngsdorf (Ludolf Camphausen) und Plittersdorf (Carstanjen) sind es weitere aus dem Kreis dieser Familien, die alle aus dem Raum Köln kommen und evangelischen Glaubens sind. Sie habe sich repräsentative Villen, oft als Sommersitz, gebaut, von denen die meisten erhalten sind.
Nach und nach fügte Amendt in seinen spannend vorgetragenen Ausführungen die Antwort auf die Eingangsfrage zusammen. Protestanten sind in katholischen Gebieten genau wie Juden bestimmte Berufe verwehrt. Nur Katholiken dürfen in den Zünften als Handwerker arbeiten, damit bleiben nur Handel und Geldgeschäfte. Geleitet von ihrer protestantischen Grundhaltung im christlichen Glauben und mit dem Rücken zur Wand stehend nutzen sie ihre Chance, zeigen sich innovativ, setzen auf neue Technik zum Beispiel beim Schiffs- und Eisenbahnbau und der Zuckerherstellung, tun viel für die Bildung ihrer Kinder, helfen sich gegenseitig mit Rat, Tat und Geld und sorgen dafür, dass durch geschickte Eheschließungen das Vermögen zusammen bleibt. Aus Händlern werden Fabrikanten, es besteht die Notwendigkeit rechtlicher Beratung und abgesicherter Bankgeschäfte, alles machen die protestantischen Familien selbst und sie machen es gut.
Einige von ihnen setzen sich in ihrem Umfeld für die Allgemeinheit ein, oft für die Belange der evangelischen Gemeinde. Auch in Sinzig, wo die Familie Koenigs der evangelischen Gemeinde die Grundstücke vermacht, auf den heute Kirche und Gemeindehaus stehen, allerdings geschieht das erst im Jahre 1951. Die Eingliederung des Rheinlandes in das protestantisch geprägte Preußen 1815 und die Gründung des deutschen Kaiserreiches 1871 stärken die Stellung der Familien weiter, denn schließlich ist auch der Kaiser evangelischen Glaubens.
Wo so viel Licht ist, da bleibt auch Schatten. Amendt machte das an den unmenschlichen Arbeitsbedingungen in den frühen Fabriken deutlich und an der Rolle des Netzwerks der rheinischen Industriellen bei der Aufrüstung –als Hersteller und als Finanziers – für die beiden Weltkriege, insbesondere in Bezug auf den zweiten Weltkrieg. Amendt beendete seinen vom sehr interessierten Publikum intensiv aufgenommenen Vortrag mit einer Übersicht über die Tätigkeitsschwerpunkte der Familien und darüber, welche Namen heute noch präsent sind. Vorstandsmitglied Peter Billig dankte dem Referenten im Namen der großen Zuhörerschaft für seinen Vortrag und dafür, dass er die Frage, wie die Bunges und andere das gemacht haben, so tiefgründig beantwortet hat.
Matthias Röcke
© Heimatmuseum Schloss Sinzig – 2011
© Museum Sinzig 2024
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