Aquarelle von Erich Meurer (1879 – 1961)
Sinzig. Die ursprünglich für den Juli vorgesehene Sonderausstellung mit Arbeiten von Schülern des Rhein-Gymnasiums ist auf den 28. September verschoben. Mehr Zeit als eingeplant war nötig, um die Bilder, welche sich an die Aborigines-Malerei Australiens anlehnen, im Kunstunterricht zu gestalten. Das gibt nun Luft für eine kleine Präsentation im Flur der ersten Schloss-Etage. Museumsleiterin Agnes Menacher hat die Gelegenheit beim Schopf ergriffen und zeigt erstmals Aquarelle von Erich Meurer (1879 – 1961). Die sehenswerten Darstellungen von um 1900 bilden, in Vitrinen ausgestellt, das Herzstück. Um sie gruppierte Menacher bewusst solche Grafiken der Rheinromantik, die den Dialog mit dem Schloss oder Meurers Blickwinkel aufnehmen.
So wie beispielsweise der Maler aus Richtung Oberwinter auf die Apollinariskirche und den Rheinlauf schaut, hat bereits Johann A. Lasinsky 1828 seine Umrisslithografie „Apollinarisberg und Remagen“ angelegt. Doch in Lasinskys filigranem Linienwerk steht auf dem Berg zwar ein Klostergebäude, aber nicht die Apollariskirche im gotischen Stil. Sie kann auch noch nicht zu sehen sein, denn der Kölner Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner hat sie erst später, in den Jahren 1839 bis 1844, erbaut. Hinter dem Klosterbau lugt allerdings der schmale Turm der alten Kirche hervor. Ein abermals gleicher malerischer Standpunkt wird etwa bei einer Grafik und einem der Aquarelle bezogen, wenn der Ausgang von Sinzig mit Ahrgegend ins Visier gerät.
Die meisten von Meurers Exponaten im Schloss kreisen indes um genau dieses großbürgerliche Haus, mit dem der Maler als Enkel der Schlosserbauer Gustav und Adele Bunge verbunden ist. Deren Tochter Adele heiratete 1872 Otto Meurer, Erich Meurers Vater. Erich Meurer hat später seine Großkusine Hanna Rhodius geheiratet, eine Enkelin des Malers Carl Christian Andreae, der mit seiner Frau Maria Elvira, geborene Dilthey und zehn Kindern die Villa Helenaberg bewohnte. Diese sollte auch das Domizil von Erich Meurer, vormals Direktor einer Kupferhütte im Sauerland, und seiner Frau Hanna werden. 1924 übersiedelten sie auf den Helenenberg, um das Anwesen in einen landwirtschaftlichen Betrieb umzuwandeln, was ihnen dank betriebswirtschaftlichem Geschick unter großem finanziellem und persönlichem Einsatz auch gelang, wie Agnes Menacher in ihrem Beitrag zum Heimatjahrbuch 2002 schreibt. Noch nach dem Krieg florierte das Unternehmen mit wieder aufgebauter Geflügelzucht und nennenswerten Anbauerträgen, welche die Beschäftigung von drei Knechten, einem Gärtner, fünf Mägden und zwei landwirtschaftlichen Helfern erforderten.
Erich Meurer war das Schloss, der Sommerwohnsitz seiner Großeltern, durch Besuche sicher schon seit Kindertagen vertraut. Es muss eine große Anziehung auf ihn ausgeübt haben. So malte er zwei wundervolle Aquarell-Interieurs, die das einstige japanische Teezimmer (nicht ausgestellt) und das damit verbundene Esszimmer zeigen (heutiger Sitzungssaal). Die Ansicht des Esszimmers liegt dem Betrachter in einem aufgeschlagenen Album vor Augen (Leihgabe von Erika Anstock). Der mit Parkett, Teppich, Stuhlgruppe um einen Tisch und Ziertellern über der hölzernen Wandverkleidung reich ausgestattete Raum erzählt vom behaglichen Verweilen. Das Aquarell auf der anderen Albumseite hält den hellgelben Schlossbau aus Nordwesten inmitten einer üppig grünenden Baum- und Wiesenlandschaft fest. In einem weiteren vermutlich vom Maler selbst angelegten Sammelbuch (Geschenk von Adelheid Schade) sieht der Besucher ins Schloss-Foyer, wo eine schwere Truhe ihren Platz gefunden hat und unter dem hohen Gewölbe die Treppe ins erste Stockwerk führt. Meurer fertigte die Kohlezeichnung wohl an, weil ihn die Großzügigkeit der noblen Sommer-Wohnanlage, die im aufwendig gestalteten Erdgeschoss und Treppenhaus besonders augenfällig wird, beeindruckte.
Aus eigenen Beständen, deren Herkunft unverzeichnet blieb, steuert das Museum eine Südansicht des Schlosses bei, also einen Blick auf die Front, zeigt einen plätschernden Brunnen im Park und in einem kleinen Gartenarrangement eine zarte Skulptur auf schlankem Sockel, die einen Engel vorstellen mag. Zwei Versionen existieren von diesem reizvollen Motiv. Ferner ist, vom Park aus beobachtet, ein junger Mann mit einem Tennisschläger auf der Treppe in Richtung Lindenallee zu sehen. All diese Schlossanblicke und -einblicke sind aus der Perspektive eines Bewunderers unter den Pinsel oder Stift genommen. In ihnen präsentieren sich das Schloss und der von Gartenbaumeister Joseph August Lenné geplante Park als eine sommerliche Insel gehobener Lebenskultur im ländlichen Raum.
Hildegard Ginzler
© Heimatmuseum Schloss Sinzig – 2006
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