Sinzig/Koblenz. Schritt für Schritt die Koblenzer Geschichte ergangen ist der Förderverein Denkmalpflege und Heimatmuseum bei seiner jüngsten Exkursion. Gästeführer Ferdinand Gräff übernahm die Gruppe im neuen städtischen Zentrum „Confluentes“ mit einer Kurzvorstellung des Werdegangs von Koblenz von der Römer- und Frankenzeit bis in die Gegenwart. Eine große Rolle spielte in Koblenz die Regentschaft von Kurtrier etwa ab dem Jahr 1000, dann die kurze Phase der Franzosen (1795 bis 1815), die sich daran anschließende preußischen Zeit bis hin zum heutigen Bundesland Rheinland-Pfalz. Koblenz war ab 1946 drei Jahre provisorische Hauptstadt des jungen Bundeslandes.
Was in fünf Minuten erläutert war, zeigte sich dann beim zweistündigen Rundgang durch die Altstadt in vielfältiger Form. Plätze, markante Ecken, Kirchen, Wohnhäuser wichtiger Persönlichkeiten, Brunnen und Skulpturen geben in Koblenz Zeugnis der Geschichte und des Lebens in dieser Stadt. Das älteste erhaltene Haus in Koblenz ist das Haus Eierstock, erbaut 1688 nach der massiven Zerstörung der Stadt im Zuge des pfälzischen Erbfolgekriegs. Die bis dahin bestehende Bebauung stammte aus der Zeit um 1608. Das Schicksal von Koblenz brachte es mit sich, dass das Haus Eierstock als einziges die Bombardierung im Dezember 1945 überstand. Gräff zeigte der Gruppe aus Sinzig auch eher unauffällige Besonderheiten. So den historischen Standort der einzigen koscheren Metzgerei in Koblenz. Der im Nationalsozialismus ermordeten jüdischen Familie Daniel ist heute ein Stolperstein gewidmet. Peter Friedhofen, Begründer der Barmherzigen Brüder, hatte 1851 sein erstes Krankenhaus in Koblenz errichtet, eine Tafel am Gebäude erinnert heute daran. Eine imposante Jugendstilfassade – erhalten nur im oberen Bereich – hätte die Gruppe ohne den Hinweis nicht bemerkt.
Koblenz hat auch einen originalen Schauplatz der Geschichte, nämlich die Kirche St. Kastor, eine 836 errichtete romanische Basilika. Genau hier, im Kloster St. Kastor, trafen sich Karl der Große und seine Söhne Lothar I, Karl der Kahle und Ludwig der Deutsche regelmäßig, hier wurden Beschlüsse gefasst und Streitigkeiten beigelegt. Das ist deshalb von Bedeutung, weil 855 die Teilung des Reichs von Karl dem Großen unter seine Söhne vollzogen wurde, in deren Folge Frankreich und Deutschland entstanden sind. Die Florinskirche aus dem 10. Jahrhundert hat besonders viel erlebt. Nachdem die französische Besatzung sie säkularisiert und als Pferdestall benutzt hatte, wurde sie 1818 den mit der preußischen Verwaltung neu in die Stadt gekommenen Evangelischen (wegen der blauen Uniformen „Blauköpp“ genannt) zur Verfügung gestellt. Am Florinsplatz steht auch das Gebäude, das schon 586 als fränkischer Königshof genutzt wurde.
Ferdinand Gräff bot eine ausgesprochen unterhaltsame Führung. Immer wieder kam er bei passender Gelegenheit auf Koblenzer Originale und Anekdoten zu sprechen, die zum Teil geschichtlichen Hintergrund haben, zum Teil aber auch aus dem Leben der Menschen erzählen (Gräff: „Wir sind alles lustige Seelcher“). Und Gelegenheiten dazu bietet ein Spaziergang durch die Altstadt reichlich, denn an vielen Plätzen und Orten sind, meist aus der heutigen Zeit stammende, Skulpturen aufgestellt, die an solche Originale erinnern. So an das durch die Kneipen ziehende „Pfefferminzchen“, an den schalkhaften Schuster und Trommler Hemmerich, der aus Ärger über die Preußen einen Fehlalarm lostrommelte oder an die berühmten „Schängel“. Das sind Kinder von Koblenzerinnen und französischen Soldaten, ursprünglich vereinfachend „Jean“ („Schängel“) genannt. Heute steht der Begriff für alle Koblenzer Kinder. Mit dem Schängellied am Schängel-Denkmal verabschiedete sich Ferdinand Gräff von seinen Gästen. Vorsitzender Karl-Friedrich Amendt dankte ihm im Namen der Gruppe für die muntere und unterhaltsame Führung. Zu seiner nächsten Veranstaltung lädt der Verein am 10. September ein, zum Turmgespräch „Wasserversorgung, Bäche und Hochwasser in Sinzig“.
Text und Fotos: Matthias Röcke
© Förderverein – Juli 2015
© Museum Sinzig 2024
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