Sinzig. Sinzig hat einen kleinen Platz in der Weltgeschichte – wer das bislang nicht geglaubt hat, konnte sich beim jüngsten Turmgespräch des Fördervereins Denkmalpflege und Heimatmuseum davon überzeugen. „Ein Amerikaner in Sinzig“ war der Vortrag von Richard Volk überschrieben. Bei dem Amerikaner, den der Politologe und Geschichtswissenschaftler vorstellte, handelt es sich um keinen geringeren als den hochdekorierten US-amerikanischen General zweier Weltkriege Douglas MacArthur – seinerzeit als Kommandant in Sinzig schon ein Star seiner militärisch geprägten Zeit, später eine Berühmtheit.
Dass der Vortrag wegen einer Terminüberschneidung vom Schloss in den Ratssaal verlegt worden war, hatte sich als Glücksfall erwiesen. Denn mehr als 100 Interessierte konnte Vorsitzender Hardy Rehmann begrüßen. Sie füllten den Saal vollständig – im Schloss hätte es Platzprobleme gegeben. Richard Volk nahm sein Publikum mit auf eine Zeitreise exakt um hundert Jahre zurück. Im Februar 1919 war der Waffenstillstand im Ersten Weltkrieg noch ganz frisch, die Friedensverhandlungen von Versailles liefen noch, und das Rheinland war von Truppen der Siegermächte besetzt. In den damaligen Kreis Ahrweiler kamen Amerikaner, mit ihrem Chef, Brigadegeneral Douglas MacArthur. Er machte Sinzig zu seinem Hauptquartier, er suchte sich das Haus Schönberg der Familie Heuser als seinen Wohnsitz. Die 1840 gebaute Villa ist bis heute erhalten (Koblenzer Straße 103 bis 109). Da MacArthur eine Schädigung durch Gaseinsatz auskurieren musste, pflegte ihn die Tochter des Hauses und Rot-Kreuz-Schwester Herta Heuser. Also begann die Romanze…
Bevor Volk darauf einging, schilderte er erst einmal das Leben in Sinzig vor hundert Jahren. Ein paar seltene Fotos hatte er auftreiben könne, sie zeigten unter anderem amerikanische Soldaten am Marktplatz, im Hintergrund zahlreiche Lkw-Wracks, die das deutsche Heer zurückgelassen hatte. In zeitgenössischen Beschreibungen wird das Verhalten der Soldaten als tadellos bezeichnet. Ein bestehendes Fraternisierungsverbot der US-Army blieb offenbar unbeachtet – hatte ja schon der Brigadegeneral nicht viel damit im Sinn…. Dennoch war es kein leichtes Leben für die 3500 Sinziger in der Kernstadt und 1800 in den Stadtteilen, denn sie hatten 2700 Soldaten zu versorgen.
Richard Volk hatte für diesen Vortrag viele interessante Details entdeckt. So gab es an allen Standorten amerikanischer Besatzungssoldaten den YMCA, den Christlichen Verein Junger Männer. Er bot ein Freizeitprogramm und soziale Betreuung an. Sogar eine englischsprachige Zeitung mit Verlagsort Sinzig erschien regelmäßig, gedruckt bei Walterscheid – in dem Haus in der Mühlenbachstraße, für dessen Erhalt sich der Denkmalverein aktuell einsetzt! Und dann noch eine kleine Sensation: In Sinzig wurde schon 1919 von aus Alabama stammenden Soldaten Jazz gespielt – lange bevor diese Musik in den USA und dann in Europa sich durchsetzte. Sinzig als Geburtsstätte des Jazz in Deutschland? Warum nicht – solange man dazu nicht anderes erfährt….
Doch nun zur Romanze. Volk hatte per Zufall gerettete und in US-Archiven abgelegte Briefe ausfindig gemacht und ausgewertet. Sie stammen aus der Zeit von Mai 1919 bis Oktober 1921, also nach MacArthurs Weggang von Sinzig im April 1919, und zeugen von großer Zuneigung und Hoffnungen auf ein erneutes Zusammentreffen. Herta Heusers Briefe sind nicht erhalten. MacArthur war inzwischen die militärische Leiter ganz nach oben geklettert. Hatte er gehofft, Herta nach Amerika zu holen? Wollte sie nicht? Volk hat es nicht verraten. Fakt ist aber, dass MacArthur kurz nachdem er seine künftige Frau kennen gelernt hatte, den Kontakt abbrach. Er heiratete genau am Tag des Sinziger Vortrags vor 97 Jahren. Die Ehe hielt nicht lange, er heiratete erneut. Beruflich spielte er im Zweiten Weltkrieg und im Korea-Krieg eine führende Rolle, ehe er sich mit US-Präsident Truman überwarf. MacArthur starb 1964 im Alter von 84 Jahren. Herta Heuser heiratete den aus Russland stammenden Adligen von Werefkin, lebte erst in Berlin und dann in Rom. Sie starb 1967 im Alter von 70 Jahren.
So hat also die Weltgeschichte Sinzig durch die Beziehung mit einer militärischen Berühmtheit berührt. MacArthur selbst in seinen Memoiren („dear old sinzig“) und viele amerikanische Journalisten, die über ihn schrieben, erwähnten und lobten die Stadt am Rhein. Dass die Gäste des Denkmalvereins so eindringlich und detailreich von dieser Geschichte erfahren durften, dafür dankte Vorsitzender Hardy Rehmann dem Referenten unter großem Beifall. Beim anschließenden Glas Wein gab es noch viel Gesprächsstoff.
Text und Bilder: Matthias Röcke
© Februar 2019 – Museum Sinzig
© Museum Sinzig 2024