Französische Revolution
1789: Die Französische Revolution und das Ende der alten Ordnung
Die Französische Revolution 1789 führte zu einem radikalen Bruch mit der mittelalterlichen Ständegesellschaft. Es kam zu politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen, die sich auf die umliegenden europäischen Länder auswirkten. Die Ideen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit begeisterten die Menschen und stellten die Vorrechte von Kirche und Adel infrage.
Nicht mehr die Herkunft, sondern die individuelle Leistung sollte gewürdigt werden. Die Macht dieser Ideen in Verbindung mit der Mobilisierung der Massen und dem militärischen Genie Napoleon Bonapartes führten zu einer Neuordnung Europas.
1794: Das Rheinland wird französisch
Die Qualität und die Moral der Revolutionstruppen wurden von den deutschen Fürsten weit unterschätzt. Nachdem Preußen und Österreich versucht hatten, die Revolution in Frankreich militärisch niederzuschlagen, wurde die Koalitionsarmee 1794 durch die französische Armee besiegt. Die französischen Truppen eroberten und besetzten die linksrheinischen Gebiete des Rheinlandes. 1794 wurde Sinzig ohne Widerstand besetzt und blieb zum Jahresende 1813 unter französischer Herrschaft.
1798 bildete der Regierungskommissar Francois Joseph Rudler aus den besetzten linksrheinischen Gebieten vier Départements. Das Département Rhin-et-Moselle mit Präfektur in Koblenz umfasste drei Arrondissements (Bezirke) mit 30 Kantonen. Aus dem ehemals kurpfälzischen Amt Sinzig wurde 1800 eine französische Mairie im Kanton Remagen, der zum Arrondissement Bonn gehörte. Die Mairie Sinzig umfasste Sinzig, Koisdorf, Westum, Löhndorf und Franken. Das Sinziger Stadtsiegel wurde eingezogen und durch ein französisches Siegel ersetzt. Französisch wurde allgemeine Amtssprache. Erster Bürgermeister der Mairie Sinzig wurde der frühere Gerichtsschreiber der Ämter Sinzig und Remagen Heinrich Joseph Hertgen. Am 9. März 1801 wurden die vier linksrheinischen Départements in die Französische Republik aufgenommen.
Alle männlichen Bürger einschließlich der Juden wurden rechtlich gleichgestellt. Nicht mehr die Kirche, sondern Bürgermeister oder Standesbeamten dokumentierten ab 1798 Geburten, Heiraten und Todesfälle. Ab 1798 gab es ein Sicherheitscorps, die Gendarmerie.
1804 werden die Straßen und Wegezölle weg. Dies war ein wichtiger Schritt zur wirtschaftlichen Entwicklung. Bis dahin gab es an jeder Gebietsgrenze der vielen Territorien Zollschranken, der Transport von Gütern war dadurch teuer und langsam.
Unter dem Ersten Konsul und späteren Kaiser Napoleon Bonaparte wurde das französische Recht komplett erneuert. Als erstes folgte 1804 der Code Civil, der Vorläufer unseres Bürgerlichen Gesetzbuches, 1807 dann ein Handelsgesetzbuch, 1808 die Strafprozessordnung und 1810 das Strafrecht.
Prozesse wurden nun in öffentlicher Sitzung geführt, allerdings in französischer Sprache. Als unterste Instanz des Gerichtswesens wurden Friedensgerichte eingerichtet. Das Friedensgericht des Kantons Remagen hatte seinen Sitz ab 1808 im Hause des Friedensrichters Hertgen in Sinzig. Es hatte noch unter preußischer Herrschaft bis 1879 Bestand.
Nach der Niederlage Napoleons und der Eingliederung des Rheinlands in das preußische Königreich gab es Bestrebungen, diese radikalen Veränderungen teilweise wieder rückgängig zu machen. Das Rheinland leistete dagegen jedoch erfolgreich Widerstand.
Die Bevölkerung klagte über die als Belastung empfundenen Veränderungen und über willkürliche Steuern. Jahrhunderte alte Gewohnheiten wie die Zunftprivilegien und die gewohnten Maße und Gewichte wurden von einem Tag auf den anderen abgeschafft. Zu besonderem Ärger führte das französische Papiergeld, die Assignaten. Sie hatten 1793 bereits 50 Prozent ihres Nominalwertes eingebüßt. Bis 1795 sank ihr Wert durch Inflation auf acht Prozent. In den besetzten Rheinlanden versuchten die Franzosen noch bis kurz vor der Abschaffung, die Assignaten gegen deutsche Silbermünzen einzutauschen.
9. Juni 1802: Klöster und Stifte werden aufgelöst.
Die französische Militärverwaltung übernahm sofort nach der Besetzung des Rheinlands die Regierung in den geistlichen Territorien. Die Kurfürstentümer Köln, Trier und Mainz sowie die Klöster und Stifte wurden aufgelöst. Der Grundbesitz der Kurfürsten, Klöster und Stifte wurde 1802 vom französischen Staat konfisziert und in den Folgejahren versteigert. 1804 wurden das Kloster Helenaberg, der Zehnthof des Aachener Marienstifts, der Mönchshof des Klosters Marienstatt sowie der Trierer Hof mit allem Grundbesitz versteigert.
Die Güter des Klosters Marienstatt in Franken erwarb Mathias Adam. Johann Effertz ersteigerte das Koisdorfer Gut des Stiftes Aachen.
Der Besitz Godenhaus wurde nicht versteigert, sondern einem Lieferanten der französischen Armee als Bezahlung übereignet.
1804-1811: Auch weltlicher Grundbesitz wird versteigert
Auch die ehemaligen Reichslehen, die in den Besitz des Herzogtums Jülich übergegangen waren, und der Besitz der Grafen von Manderscheid-Blankenheim wurden verstaatlicht und versteigert.
Dazu gehörten das Grundstück des Sinziger Schlosses und ca. sechs Hektar Ackerland, außerdem der Manderscheider Hof mit 7,5 Hektar Grundbesitz.
Insgesamt brachte der Verkauf der Nationalgüter in der Mairie Sinzig dem französischen Staat 110.303 Francs ein, die zur Deckung von Staatsschulden und für Militärausgaben verwendet werden konnten.
1806 wurde die Ruine des Schlosses an J. Peter Broicher und Franz-Joseph Hertgen und der Zehnthof für 6850 Francs an Adolf Dietz verkauft.
5. August 1806: Das Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation
Im Jahr 800 wurde Karl der Große zum ersten fränkischen Kaiser gekrönt. Seit der Kaiserkrönung Ottos I. im Jahr 962 spricht man von dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Am 5. August 1806 legte der amtierende Kaiser, Franz II. von Habsburg die deutsche Kaiserkrone nieder und das Heilige Römische Reich Deutscher Nation hörte auf zu existieren.
Anlass zur Abdankung als Deutscher Kaiser und damit zum Ende des alten Reiches war die Gründung des Rheinbundes am 12. Juli 1806 unter Federführung des französischen Kaisers Napoleon I. in Paris. 16 süd- und westdeutsche Fürsten verbündeten sich mit Frankreich und erkannten die französische Oberherrschaft an.
4. Januar 1814: Kosaken befreien Sinzig
Nach der Leipziger Völkerschlacht 1813 war die Armee Napoleons geschlagen, und die französisch besetzten Gebiete wurden von preußischen, russischen und österreichischen Truppen befreit. Am 3. und 4. Januar 1814 erreichten russische Truppen Sinzig. Es kam zu Scharmützeln vor dem Sinziger Leetor zwischen russischen Kosaken und französischen Truppen.
Quelle: Sinzig und seine Stadtteile, Müller S138 ff
Kosaken
Sinzig war vom 4. Januar bis zum 15. Juni 1814 durch russische Truppen besetzt. Das Rheinland wurde dem preußischen Generalgouvernement Nieder- und Mittelrhein unterstellt. Deutsch war wieder Amtssprache. Der Wiener Kongress von September 1814 bis Juni 1815 veränderte die Grenzen Europas. Das Königreich Preußen erhielt große Teile Westfalens, des ehemaligen Großherzogtums Berg und Teile der ehemaligen linksrheinischen Départements. Die Verwaltungsreform von 1816 ordnete die Stadt Sinzig dem Kreis Ahrweiler im Regierungsbezirk Koblenz, Großherzogtum Niederrhein zu. Das Sinziger Stadtsiegel wurde nach altem Vorbild neu beschafft. Am 22. Juni 1822 wurde das Großherzogtum Niederrhein mit der Provinz Jülich-Kleve-Berg per Kabinettsorder zur Rheinprovinz vereinigt, die bis Juni 1945 bestehen blieb.
Quelle: Sinzig und seine Stadtteile, Müller S138 ff
1797 – 1815: Der Sinziger Vogt in Paris
In der Sinziger Kirche St. Peter ruht die Mumie des Vogtes Johann Wilhelm von Holbach. Holbach starb am 10. März 1691 und wurde ursprünglich in der 1805 abgerissenen Maria Magdalenen Kapelle begraben. Bei einem starken Unwetter im Jahr 1700 wurde die Mumie freigelegt und gab seit damals Anlass zu einer Vielzahl von Geschichten und wenig geschmackvollen Scherzen der örtlichen Bevölkerung.
Während der französischen Besatzung wurde die Mumie nach Paris überführt, wo sie verschiedensten Untersuchungen unterzogen wurde. 1815 wurde der Sinziger Vogt zurückgegeben und wieder nach St. Peter gebracht.
Bis vor wenigen Jahren war das „Ledermännchen“ ein beliebtes Ausflugsziel und lag gut sichtbar in einer Nische von St. Peter und bis Mai 2017 in einem gläsernen Sarg in der Taufkapelle.
Erst seit kurzem fand er eine neue Ruhestätte im Boden von St. Peter.