Sinzig. Das Lebenswerk Abraham Roentgens und seines Sohnes David, Meister im Möbelbau im 18. Jahrhundert, Teil zwei – dazu hatte der Förderverein Denkmalpflege und Heimatmuseum in Sinzig mit seiner jüngsten Exkursion eingeladen. Wie schon beim „Turmgespräch im Schloss“ gut drei Wochen zuvor begrüßte Bernd Willscheid, Leiter des Roentgen-Museums in Neuwied, die Gruppe aus Sinzig, diesmal an Ort und Stelle im Museum.
Hier war nun Gelegenheit, die schon im Vortrag beschriebenen kunstvollen und aufwendigen Möbel im Original zu bewundern. Das übte eine besondere Faszination aus bei den „Verwandlungsmöbeln“ der Roentgens, wenn Bernd Willscheid, ausgestattet mit weißen Handschuhen, einen niedlichen Tisch mit wenigen Handgriffen wie von Zauberhand um eine Tischplatte, Geheimfächer oder Schmuckelemente „erweiterte“. Große Teile des Neuwieder Museums sind den Möbeln aus der seinerzeit weltberühmten Möbelmanufaktur aus dem 18. Jahrhundert gewidmet. Die Möbel exklusiv und hochwertig und etablierten sich bei den europäischen Fürstenhöfen zwischen Paris und St. Petersburg als ausgesprochene Prestigeobjekte.
Die Entwürfe der Roentgens folgten zunächst dem Rokoko-Stil, dann dem Biedermeier und zuletzt dem Klassizismus. Schreibtische, Spieltische, Schatullen, Musikautomaten gestaltet als Schachbrett, Standuhren, Kommoden und Sekretäre galt es zu besichtigen, im Laufe der Zeit vom Museum gekauft oder als Dauerleihgabe erhalten. Während des Rundgangs und bei der Vorführung der Möbel erzählte Bernd Willscheid anschaulich von Leben der Roentgens. Abschließend besuchte die Gruppe noch die aktuelle Biedermeieraustellung des Museums, zu der auch das Sinziger Museum Leihgaben beigesteuert hat. Dessen Leiterin Agnes Menacher, auch stellvertretende Vorsitzende des Vereins, dankte Willscheid im Namen der Gruppe für die erlebnisreiche Führung.
Hinter der Geschichte von Abraham und David Roentgen steht nicht nur ihr Wirken als geniale Möbelbauer, sondern auch die von Vertriebenen und Zugewanderten. Dem galt der zweite Teil der Exkursion. Abraham Roentgen gehörte zu einer Gruppe der Herrnhuter Brüdergemeine, die um 1750 von ihrem Landesherrn wegen ihres protestantischen Glaubens ausgewiesen wurde. Der tolerante Herzog von Neuwied nahm sie auf, es entstand die Herrnhuter Siedlung von Neuwied, die heute unter Denkmalschutz steht. Dort erwartete Harald Colditz von der Brüdergemeine die Sinziger Gruppe und führte sie in die Kirche, hier Versammlungsaal genannt – ein eindrucksvoller, schlicht gehaltener Hallenbau, der bewusst auf Altar und Kruzifix verzichtet. Colditz stellte die Brüdergemeine vor und erzählte von ihrem Werdegang in Neuwied. Die Gemeine betreibt heute noch einen Kindergarten, früher gehörten auch Schulen und bis vor kurzem ein Altenheim zu ihren Aktivitäten.
Colditz setzte auch das Thema Roentgen fort. Dazu gehört, dass David Roentgen in Konflikt stand zwischen den religiösen Grundsätzen der Brüdergemeine und einem großzügigem Leben als erfolgreicher Unternehmer. Er wurde 1768 sogar aus der Brüdergemeine ausgeschlossen und erst 1793 wieder aufgenommen, erst dann, als er seinen für die Zeit mit bis zu 80 Beschäftigten sehr großen Betrieb aufgegeben hatte. Er schilderte das alles sehr authentisch, wofür hm die Gruppe dankte. Einen effektvollen Abschluss bildete dann der Gang zum früheren Wohnhaus von David Roentgen – ein repräsentativer Bau, der seinerzeit wegen des erwähnten Ausschlusses nicht innerhalb, sondern nur am Rande der Herrnhuter Siedlung errichtet werden durfte.
Text und Fotos: Denkmalverein
© Oktober 2019 – Museum Sinzig
© Museum Sinzig 2024
Vielen Dank für Ihre Anfrage!
Wir werden uns so schnell wie möglich mit Ihnen in Verbindung setzen.