Sinzig. Das Thema stand im Raum – buchstäblich: Der frisch gekürte Schützenkönig der St. Sebastianus Schützenbruderschaft Sinzig, Toni Scheuer, hatte das historische Schützensilber, kunstvoll drapiert auf einer aufgestellten Uniformjacke, mitgebracht. Genau darum ging es beim jüngsten Turmgespräch des Fördervereins Denkmalpflege und Heimatmuseum im Sinziger Schloss. So konnte das Publikum während der Ausführungen von Rudolf Menacher zum Schützensilber als Zeugnis der Sinziger Stadtgeschichte immer wieder die Augen schweifen lassen von den projizierten Abbildungen zum Original.
In der Tat ist das Silber der Sebastianer ein seltenes und sehr aussagekräftiges Dokument zur Sinziger Geschichte. Es besteht aus Silberschilden, die dem jeweiligen Schützenkönig gewidmet waren. Der älteste stammt aus der Zeit vor 1577 und war bisher nicht einem Namen zuzuordnen – Rudolf Menacher hat im Rahmen seiner Recherchen diese Wissenslücke nun geschlossen: Der erste überlieferte Schützenkönig der Sebastianer hieß Kirstgen Engels. Sein Hauszeichen findet sich nämlich auch beim Stifter der Grablegungsgruppe in der Kirche St. Peter wieder. Nicht bestätigen konnte Menacher den Schützenbrüdern allerdings das bisher angenommene Gründungsjahr 1301. Er geht von einer Gründung im 15. Jahrhundert aus.
Aber auch damit hätte die Sinziger Schützenbruderschaft ein stattliches Alter, auf das sie stolz sein kann wie auch auf ihr Silber. Es überstand zwei verheerende Stadtbrände 1583 und 1758 – einer wurde angeblich durch einen Schützen ausgelöst -, zahlreiche Kriege mit Plünderungen und Beschlagnahmungen und dann auch noch die Zeit des Nationalsozialismus, als die Bruderschaft sich auflöste, ihren Schatz aber bewahrte. Es gibt Schützengesellschaften mit prächtigeren Schilden, aber kaum eine hat so weit zurückreichende Schilde vorzuweisen.
Die Schilde sind aus nach heutigen Begriffen nicht allzu wertvollem Silber gefertigt und unterscheiden sich in Größe und im Aufwand der Gestaltung. Menacher: Es gab immer gute Zeiten und schlechte Zeiten. Während Kriegen und in den Jahren danach war die Bevölkerung zu arm, um Schützenfeste zu feiern und Könige auszuschießen, ging es wirtschaftlich gut, nutzten die Könige die Gestaltung ihres Schildes auch zur Selbstdarstellung. So der Schützenkönig von Nikolaus Sonn im 17. Jahrhundert. Er war Schulmeister und konnte Latein – das musste die Inschrift festhalten.
Schützenschide haben eben etwas zu erzählen. Menacher hatte für seine Recherchen Protokollbücher und Mitgliederlisten der Bruderschaft genau studiert und so eine Fülle von Informationen zusammengetragen. Auf diese Weise ist das Schützensilber auch ein Dokument der Stadtgeschichte. Menacher wählte einzelne Schilde, um Lebensverhältnisse, Ereignisse und Personen zu beschreiben. Zum Beispiel Carl Caspar Bachoven, nach dem die heutige Bachovenstraße benannt ist. Er war von 1720 bis 1774 Amtsverwalter und Vogt in Sinzig. In den Jahren nach 1727, 1728 und 1729 wollte, durfte oder musste er dreimal Schützenkönig werden, weil er wohl der einzige war, der sich die damit verbundenen erheblichen Pflichten finanziell leisten konnte. Denn wer das nicht konnte, schoss lieber vorbei….
Geschossen wurde etwa ab dem 16. Jahrhundert auf einen papageienähnlichen Vogel. Auch ein Kanarienvogel konnte das Vorbild für die vielen, auch in Schützensilber enthaltenen Vögel sein. Sicher ist, dass die Könige lange Zeit Vogelkönige hießen.
Warum gab es nach 1804 zu einer Eintrittswelle in die Schützenbruderschaft? Die französische Besatzungsmacht hatte ihr Verbot aufgehoben und gleichzeitig Privilegien des Adels, Ratsherren oder sonstige Honoratioren abgeschafft. Jetzt konnte jeder Schützenkönig werden, die Berufe der Glücklichen sind auf den Schilden vermerkt.
Details der Schilde, Details der Geschichte – beides hatte Menacher in dem mit großem Interesse aufgenommenen Vortrag interessant und spannend verknüpft. Matthias Röcke, stellvertretender Vorsitzender des Fördervereins, dankte ihm dafür unter dem Beifall des Publikums.
Text: Denkmalverein
© Juni 2019 – Museum Sinzig
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