So vieles hat die Flutkatastrophe im Sommer 2021 im Ahrtal verursacht, vorrangig menschliches Leid und immense materielle Schäden entlang der Ahr. Seit dem Ereignis geht es um Erkenntnisse zu Ursachen und Vorkehrungen für die Zukunft und auch um Erinnerungskultur. Ein bislang wenig beachtetes Gebiet stand jetzt im Mittelpunkt beim „Turmgespräch im Schloss“ des Fördervereins Denkmalpflege und Heimatmuseum Sinzig, nämlich die archäologischen Funde, die die Flut an die Oberfläche gebracht hat. Archäologe M.A. Gabriel Heeren sprach im voll besetzten Saal zum Thema „Die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal. Archäologische Funde in Sinzig und Umgebung“.
Funde in der Bandbreite von der Römerzeit bis in den Zweiten Weltkrieg beinhaltet die „Ausbeute“, mit der es die Archäologen der Generaldirektion Kulturelles Erbe bei ihren sofort nach dem Ereignis einsetzenden Aktivitäten zu tun haben, unterstützt auch von ehrenamtlichen Helfern. Vielerorts legten die aktuellen Grabungen frei, was von Luftbildern und Messungen schon bekannt war, anderes trat überraschend zutage – oft als so genannte Streufunde. Für Sinzig bemerkenswert sind eine große Zahl von Holzpfählen aus dem Brückenbau.
Heeren machte mit seinem in großer Zahl erschienen Publikum eine virtuelle Fahrt ahrabwärts und begann in Fuchshofen. Dort wurden Reste einer römischen Villa entdeckt, ungewöhnlicherweise. Denn gerade die Römer – das zeigte sich in den weiteren Ausführungen Heerens – verstanden sich auf hochwassersicheres Bauen, errichteten ihre Häuser am Hang und suchten sich für ihre Brücken ideale Positionen. Das Haus in Fuchshofen wurde seinerzeit aufgegeben und weiter oben neu errichtet.
Am „Prümer Tor“ bei Insul wurden Mauerreste freigespült, deren Herkunft noch zu klären ist. Möglicherweise stand an dieser Stelle eine Mühle. In Dümpelfeld überlagern sich sehr junge mit sehr alten Funden, nämlich Reste einer Müllkippe aus den 1930er Jahren – auch das muss erst einmal gründlich untersucht werden – und Steinquader aus aus römischer Zeit.
Einen ungewohnten Blick auf die archäologische Arbeit konnte das gespannt zuhörende Publikum werfen, als die virtuelle Fahrt in Hönningen Station machte. Der bereits bekannte Absturz eines Militärflugzeug am 27. Dezember 1944 ist nun mit Funden belegt. Die Flugzeugteile erlaubten Experten, den Flugzeugtyp zu bestimmen, weitere Recherchen erbrachten den Namen des beim Absturz ums Leben gekommenen Piloten. Nebenbei: der Kampfmittelräumdienst sicherte nach der Flut 400 Kilogramm Munition aus dem Zweiten Weltkrieg.
Holz ist ein verlässlicher Zeuge der Vergangenheit. Dank dendrochronologischer Untersuchungen lassen sie die Fälljahre aufgefundener Pfähle genau feststellen. In Ahrweiler, Heppingen und vor allem in Sinzig legte die Flut zahlreiche Pfähle frei. Sie weisen auf frühere Brücken hin. Zum Teil werden die Pfähle derzeit noch untersucht, einige Erkenntnisse liegen aber auch schon vor. In Sinzig fanden sich zwischen dem Standort des von der Flut weggespülten Spessartstegs und der Brücke über die B9 an die 20 Pfähle im Wasser, eine hohe Dichte. Zum Teil sind sie aus dem 19. Jahrhundert und stammen möglicherweise von einem Christinensteg genannten Bauwerk, andere sind älter. So lassen Funde im Bereich unterhalb des einstigen Spessartstegs eine Brücke aus der Zeit von 1592 bis 1612 vermuten. Ganz neu ist der dendrochronologische Beleg für eine um 1845 errichtete Holzbrücke im Zuge der Kölner Straße, vermutlich als Ersatz für Brücke, die nach dem großen Hochwasser 1804 an dieser Stelle neu gebaut worden war.
All diese Bemühungen, das machte Gabriel Heeren zum Schluss des mit großem Beifall aufgenommenen Vortrags klar, dient nicht allein der Wissenschaft zu weiteren Forschungen, sondern auch der Erinnerung. Fluten mit Zerstörungen und andere Veränderungen wird es immer wieder geben, die Erinnerung an vergangene Zeiten darf dabei nicht untergehen. Das war ganz im Sinne der Zuhörerschaft und des Vorsitzenden des Denkmalvereins Hardy Rehmann, der Gabriel Heeren für den spannenden Vortrag herzlich dankte.
Text: Denkmalverein
© November 2022 – Museum Sinzig
© Museum Sinzig 2024
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