Hagia Sophia und Galatabrücke - wie das heutige Istanbul im Jahr 1890 auf Bildungsreisende wirkte 

 

Reisetagebuch des Malers von Carl Christian Andreae im Sinziger Museum präsentiert - Neue Ausstellung "Menschenbildnisse"     

 

 

Auf Bildungsreise wie zum Ende des 19. Jahrhunderts begab sich das Publikum des Turmgesprächs im Schloss auf Einladung des Fördervereins Denkmalpflege und Heimatmuseum. Agnes und Rudolf Menacher präsentierten Auszüge aus einem opulenten Tagebuch, das der Maler  Carl Christian Andreae zu einer Reise nach Konstantinopel, Griechenland und Italien angefertigt hat. Der Förderverein hat das Tagebuch mit zahlreichen Fotos und Skizzen in heute lesbare Schrift transkribieren lassen und in Kopie der Öffentlichkeit zur Ansicht zur Verfügung gestellt. 

 

Vorsitzender Hardy Rehmann wies bei seiner Begrüßung darauf hin, dass manche Aussagen im Tagebuch der Gedankenwelt des 19. Jahrhunderts entsprechen und aus heutiger Sicht als nicht zeitgemäß erscheinen würden. Der Förderverein habe sich aber dennoch für die Transkription entschieden, weil man das wertvolle Dokument aus dem Museumsbestand unverfälscht erhalten und präsentieren wolle. Auf diese Thematik ging auch Rudolf Menacher ein, der die Transkription vorgenommen hat. An Hand eigener Recherchen widerlegte er die eine oder andere Bemerkung zur türkischen Kunst und Kultur,  wie sie Carl Christian Andreae empfunden hatte. 

 

Der Maler (1823 - 1904) ist mit der Geschichte des Sinziger Schlosses eng verbunden, wie Museumsleiterin Agnes Menacher zu Beginn erläuterte. Anlass des Vortrags und der gleichzeitig eröffneten Ausstellung zu seinem  Werken unter dem Titel "Menschenbildnisse" ist der 200. Geburtstag des Künstlers. Andreae war der Schwager von Gustav Bunge, der das neugotische Schloss 1855 als Sommersitz hat erbauen lassen. Eines der bedeutendsten Werke von Andreae ist die Ausgestaltung des Doms von Pecs in Ungarn, er hinterließ außerdem zahlreiche Bilder, Skizzen und Wandmalereien. Ehe er 1881 nach Sinzig zog, wirkte er in Berlin und Dresden.   

                                                                          

Bildungsreisen gehörten zum guten Ton der wohlhabenden Schicht im 19. Jahrhundert, meist war Italien das Ziel. Nach Konstantinopel, wie das heutige Istanbul 1890 noch genannt wurde, fuhren aber nur wenige. Auch das macht die Tagebuchaufzeichnungen, Fotos und Skizzen so interessant.    

                                                                                                                                                                

Der erste Eindruck der Reisenden bei Eintreffen des Zuges nach siebentägiger Fahrt für 1000 Kilometer war offenbar überwältigend: "Ich wußte, daß die große, wunderbare Stadt in den frappantesten Gegensätzen sich bewege, aber so hatte ich sie mir doch nicht gedacht! Monumentalste Baukolosse! Diese Mauern mit ihren Türmen, die Moscheen von leuchtendem Marmor - und ein Gewirr von Holzhütten, Gartenhäuschen und Spelunken! Ruinen aus allen Zeiten (....) bis hin zu allerneuesten Villenanlagen und allerneuesten Brandstätten!" Die Moschee Hagia Sophias   erlebt Andreae wie "wie eine feste Burg Gottes", im Innenraum größer, ergreifender als das Pantheon in Rom und der Dom in Köln. Oder die Galatabrücke über das Goldene Horn: "An wenigen Punkten der Erde findet man ein solches Völkergemisch wie auf der Brücke von Galata, dicht beisammen, aber nicht per Zufall, oder weil etwas Besonderes los ist, drängen sich Europäer, Afrikaner und Asiaten in allen Farben und Trachten, der Türke nirgendwo selbstbewußter als hier, wo er noch Herr ist und sich noch Alleinherrscher wähnt". Politisch befand sich die Türkei zu dieser Zeit in einer Krise, in Europa sprach man vom "kranken Mann am Bosporus". 

 

Gelegentlich haderte Andreae mit Zeugnissen türkischer oder islamischer Kunst und Kultur, die im Islam verankerte Pflicht zu Achtung und Wohltätigkeit gegenüber Armen und Schwachen beurteilte er aber positiv. Zu seinem Erstaunen bezog sich diese Einstellung auch auf streunende Hunde: "Und wenn auf einem Bauplatz zum Frühstück oder Mittagsmahl die Arbeiter ruhen und essen, so sind sie umstanden von der Masse hungriger Hunde, und man sieht wie die armen Tagelöhner und Bauleute redlich ihr Mahl mit dem räudigen Vieh teilen, und das erweckt bei unsereinem eine Art Schamgefühl!" 

 

Eine  letzten Blick auf die Stadt warfen die Reisenden vom Schiff aus - es brachte sie nach Griechenland, um dort - wie es seinerzeit zum guten Ton des Bildungsbürgertum gehörte - sich der Kunstidealen der Antike zu widmen wie auch zum Schluss der Reise in Italien. Das reich bebilderte und nach der Transkription durch Rudolf Menacher gut lesbare Tagebuch kann im Museum eingesehen werden. Die Sonderausstellung anlässlich der 200. Wiederkehr des Geburtstages des Künstlers "Menschenbildnisse" zeigt Portraits aus dem Werk des Künstlers.

 

Das HeimatMuseum Schloss Sinzig, Barbarossastraße 35, ist geöffnet Samstag und Sonntag von 11.00 Uhr bis 17.00 Uhr (ab November 14.00 Uhr) und am Donnerstag von 10.00 Uhr bus 12.00 Uhr.    

 

 


Gemeinschaftswerk: Museumsleiterin Agnes Menacher und Rudolf Menacher präsentieren das Reisetagebuch,

dessen Transkription der Förderverein (rechts Vorsitzender Hardy Rehmann) ermöglicht hat. Fotos: Denkmalverein/Matthias Röcke


                                                     

 

Wertvolles Dokument aus dem Jahr 1890. Das Reisetagebuch von Carl-Christian Andreae.




 

Impressionen der Ausstellung "Menschenbildnisse"



                                                                                        

 

 

 Impressionen der Ausstellung "Menschenbildnisse"                                                               

 


Text:   Matthias Röcke

Fotos: Denkmalverein/Matthias Röcke



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